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Wir bilden eine Gemeinschaft

21.08.2023, 10.41

Seit Mai dieses Jahres leitet Toni Kurmann SJ (59) das Lassalle-Haus, Bildungsstätte und spirituelles Zentrum der Jesuiten in Bad Schönbrunn, oberhalb von Zug. Im Interview gibt er Einblicke in sein aktuelles Wirken.

Toni Kurmann, das Lassalle-Haus ist mit seiner offenen spirituellen Ausrichtung eine gefragte Weiterbildungsstätte. Wie fühlen Sie sich als neuer Leiter dieses Hauses nach den ersten 100 Tagen?

Es geht mir gut. Ich bin rundum am Entdecken, lerne Menschen innerhalb und ausserhalb des Hauses kennen sowie die betriebswirtschaftlichen Herausforderungen. Gerne mache ich Führungen für die Gäste, um von ihnen Rückmeldungen zu erhalten. So erfahre ich, was ankommt und was weniger. Auch mit der Nachbarschaft pflege ich Kontakte, beispielsweise den Bauern, die uns die Milch bringen, und der Gärtnerei der Zuwebe, die Lebensmittel für die Küche liefert. Ausserdem geniesse ich jeden Tag die wunderbare Landschaft, die unser Haus umgibt.

Wie viele Menschen arbeiten im Lassalle-Haus?

Das Lassalle-Haus wird von vielen Menschen mitgetragen. Das sind 30 Angestellte, 5 Jesuiten, gut 80 Kursleitende und rund 15 bis 20 Freiwillige. Zu ihnen zählen beispielsweise unsere Blumenfrauen, die Blumen aus der hauseigenen Umgebung pflücken und kreativ zusammenstellen. Wir nennen es «Meditation in Blumenform».

Was macht das Lassalle-Haus zum Kraftort?

1860 als Kurhaus erstellt, ist das Lassalle-Haus eingebettet in eine bezaubernde Landschaft mit vielen, auch sehr alten Bäumen und rund 20 Quellen. Von einem Zipfel des Grundstücks aus geniesst man eine herrliche Sicht auf den Zugersee. Von seiner Architektur her ist das Haupthaus vom Architekten André Studer wie eine Parabel gebaut, eine geometrische Form, die sich gleichmässig in die Unendlichkeit ausbreitet. Auf dem Gelände sind nirgends Zäune, die das Grundstück abgrenzen. Es vereint sich gewissermassen mit der Umgebung. Der Scheitelpunkt der Parabel, bzw. der zentrale Ort des Hauses, ist die Kapelle. Wer auf ihrem Boden steht, steht auf Jura-Kalkstein mit fossilen Versteinerungen, also auf dem uns allen gemeinsamen Fundament der Evolution des Lebens.

Das Angebot Ihres Hauses erfreut sich mit jährlich rund 250 Kursen grosser Nachfrage. Was macht dieses Angebot einzigartig?

Im Lassalle-Haus geht es um Spiritualität, Heilung, Versöhnung, um den Dialog zwischen verschiedenen Konfessionen. Unsere Angebote vereinen dreierlei unter einem Dach: Kognitives Lernen durch die Vermittlung von Inhalten, Gruppenprozesse, in denen Neues erarbeitet wird, und Orte für Meditation, Gottesdienste und Rituale. Die Konstruktion des Hauses und seine Infrastruktur stehen ganz im Dienst dieser Angebote. So beispielsweise unsere 4 Speisesäle, die den Gruppen geschützte Arbeitsprozesse auch während der gemeinsamen Mahlzeiten ermöglichen.

Die Kirchenbänke leeren sich, Ihr Jahresprogramm hingegen wird umfangreicher? Was machen Sie anders?

Wir sind Teil der Kirchen und arbeiten nicht isoliert, sondern eng mit ihnen zusammen. Aber sind wir anders aufgestellt, haben Experimentierraum, denn wir sind nicht einem Bistum unterstellt. An unseren Weiterbildungen nehmen viele Kirchenleute teil. Oft bilden sie sich in Exerzitien weiter und bieten dann in den Pfarreien eigene Kurse an. Die beiden Jesuiten Bruno Brantschen wie auch Wilfried Dettling begleiten Seelsorgerinnen und Seelsorger ausserdem in ihrer eigenen spirituellen Entwicklung, beispielsweise zu den Themen «Nähe und Distanz», «Begleitung in Trauer» und Vorbereitung für die Pensionierung. Dies im Auftrag des Bistums.

Haben Sie schon Ideen und Pläne für die Zukunft?

Vorerst will ich die Tradition des Hauses, die Quellen vor Ort verstehen, freilegen und optimal zum Wirken bringen. Im stetigen Austausch mit unseren Besucherinnen und Besuchern möchte ich dann herausfinden, welche weiteren Orientierungshilfen wir den Menschen anbieten könnten. Dazu werde ich mich auch mit den grossen Trends in der Gesellschaft und in der Spiritualität beschäftigen und mich fragen, mit welchen Formaten wir darauf antworten wollen.

Können Sie ein konkretes Beispiel machen, wo Sie noch aktiver werden wollen?

Eine Frage wird beispielsweise sein, mit welchen Angeboten wir die «Babyboomer»-Generation, die jetzt ins Pensionsalter kommt, in der kommenden Lebensphase begleiten wollen. Dann haben offensichtlich seit der Coronazeit sehr viele junge Menschen in den Social Media Meditations-Apps zu nutzen begonnen. Wir möchten dieser Generation bei ihrer Suche in der Spiritualität Wegbegleitung anbieten. Gerne weise ich auf den neuen Podcast «Einfach beten» der Jesuiten hin.

 

Interview: Bernadette Thalmann

Das Lassalle-Haus

1860 erbaute der Menzinger Dorfarzt Peter Josef Hegglin das Kurhaus Bad Schönbrunn, wo sich Gäste aus ganz Europa für Trink- und Wannenkuren einfanden. Nach dem ersten Weltkrieg brach der Gesundheitstourismus ein. 1929 übernahmen die Jesuiten die Hotelanlage und betrieben fortan ein Exerzitienhaus.
1970 ersetzte ein Neubau die baufällig gewordene Bell-Epoque-Anlage.
Unter dem Jesuiten und Zen-Meister Niklaus Brantschen erhielt das Haus dann den Namen Lassalle-Haus, zu Ehren des Jesuitenpaters Hugo Enomiya Lassalle, dem wichtigen Wegbereiter des Dialogs zwischen Zen und Christentum.
www.lassalle-haus.org