15.03.2024, 12.44
«Zeit haben – Zeit nehmen – Zeit geben» lautete das Motto des Referats von Thomas Wallimann zum 20-jährigen Jubiläum des Leuchtturms Diakonie & Soziales. Temperamentvoll führte der Theologe und Sozialethiker durch die verschiedenen Kategorien von Zeit und landete am Schluss beim alles entscheidenden Menschenbild.
Ausgehend von Schöpfungserzählungen aus vielen Religionen zeigte Wallimann auf, wie fundamental wichtig es für das menschliche Selbstverständnis ist, einen Bezug zur Zeit zu haben. Dabei konnte er für sein Referat aus dem vollen schöpfen, denn als Leiter des sozialethischen Instituts «ethik22» und Dozent an verschiedenen Fachhochschulen steht das Zusammenwirken von Werthaltungen und gesellschaftliche Entwicklungen im Zentrum seiner Arbeit.
In einem grossen Bogen führte er das Publikum von der Geschichte über die Philosophie bis hin zur Wissenschaft, um schliesslich über verschiedene Ebenen von Zeit und deren Eigenheiten nachzudenken.
In der zeitlich hoch getakteten Gegenwart ist Zeit vor allem als «Chronos» präsent. Diese Einheit, die präzis gemessen und geplant werden kann, läuft in der Wahrnehmung der meisten Menschen einfach durch und geht vorbei. Als «Orientierungszeit» bezeichnete Wallimann inhaltlich gefüllte Sammlungen von Erinnerungen von Momenten. Als dritte Kategorie stellte er den «Kairos» vor, der in Anlehnung an eine griechische Gottheit den richtigen Moment bedeutet. Die Gründung des Leuchtturms Diakonie & Soziales der Katholischen Kirche Stadt Zug vor 20 Jahren sei ein solcher «Kairos-Moment» gewesen, in welchem genau zum richtige Zeitpunkt Wesentliches geschehen sei.
Mani Matters Lied «Ich han en Uhr erfunde» machte das Publikum darauf aufmerksam, wie wichtig es ist, dass der Mensch Zeit selbst gestalten kann und wie dies ihm Majestät und Würde verleiht.
Mit diesem Steilpass richteten sich die weiteren Ausführungen des Referenten auf das alles entscheidende Menschenbild. Während das ökonomisch ausgerichtete Menschenbild auf Leistung und Erfolg fokussiert sei, stehe im christlichen der Mensch als solcher im Zentrum, nicht seine Leistung. Übersetzt auf das Wirken des fünfköpfigen Frauenteams im Leuchtturm folgerte Wallimann: «Ihr habt und nehmt euch Zeit für jeden Menschen, egal, wie lange dieser braucht, um darzulegen, was für ihn wichtig ist. Damit verleiht ihr ihm Würde.»
So könne in der Beratung die Chronoszeit zu Erlebniszeit werden und bestenfalls zum Kairos im Leben eines hilfesuchenden Menschen. Der Leuchtturm sei durch sein Dasein eine wichtige gesellschaftliche Bremse. Er zeige, dass es auch eine andere Werteordnung als Leistung gibt.
In der anschliessenden Diskussion mit dem Publikum gab Co-Leiterin Simone Schelker Einblick in die Vielfalt der Fragestellungen, mit welchen Menschen in den Leuchtturm kommen: Von Arbeit über Gesundheit und Finanzen bis hin zu Überforderung im Alltag, zum Beispiel wenn jemand mit einer Tasche voll ungeöffneter Post Hilfe sucht. Hier nimmt sich die Beraterin Zeit, öffnet zusammen mit dem Klienten oder der Klientin die Briefe, sichtet und sortiert sie miteinander nach Priorität. Im Schlusswort dankte Margrith Brechbühl den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, die an diesem Abend im Hintergrund im Einsatz standen